Das Jahr 2018 war für Fahrzeugtechnik und Automobilbau ein Jahr der harten Realitäten ohne große Träumereien. Während in der Öffentlichkeit die Zukunft des Dieselmotors in Pkw und die Folgen des Abgasskandals in Form von Fahrverboten diskutiert wurden, kam es bei den elektrischen Antrieben zu leichten Fortschritten und in der Fahrzeugautomatisierung zu einem gewaltigen Dämpfer.
Fahrzeugautomatisierung
Am Abend des 18. März 2018 wurde Elaine Herzberg als erster Mensch von einem automatisiert fahrenden Fahrzeug getötet. Ein von Uber mit Selbstfahrtechnik ausgestatteter Volvo XC90 fuhr Frau Herzberg in Tempe, Arizona, an und verletzte sie dabei tödlich. Sie schob ihr Fahrrad über die Straße und wurde hierbei nicht ordnungsgemäß vom Fahrzeug erkannt. Die Testfahrerin, welche die Fahrbewegungen des Fahrzeugs überwachen sollte, schaute am Steuer eine Serie und war somit unfähig, rechtzeitig einzugreifen. Das Fahrzeugsystem hatte Herzberg sechs Sekunden vor dem Unfall erkannt und zunächst als unbekanntes Objekt, dann als Fahrzeug und schließlich als Fahrrad klassifiziert. Erst 1,3 Sekunden vor dem Aufprall stellte das System fest, dass eine Notbremsung erforderlich war. Das System war jedoch so konzipiert, dass es die menschliche Testfahrerin alarmiert und nicht von selbst einen Nothalt einleitet. Die fehlerhafte Detektion, Probleme bei der Software und ein fehlerhaftes Testdesign führten in Kombination mit der abgelenkten Testfahrerin zum Tod von Elaine Herzberg. Uber beendete daraufhin zunächst die Testfahrten, nahm diese jedoch mit veränderten Testbedingungen Ende 2018 wieder auf.
Der schwedische Automobilhersteller Volvo hingegen wurde sich seiner Verantwortung bewusst und verschob aus verschiedenen Gründen sein automatisiertes Level 4-Fahrprogramm um mindestens vier Jahre. Tesla Motors hat eine geplante Fahrt mit dem Teilautomatisierungssystem “Autopilot” von der US-Westküste zur US-Ostküste von Anfang 2018 auf Ende 2018 verschieben müssen. Es wird wohl 2019 werden.
Einzig die Google-Schwester Waymo hat ihre Ankündigungen wahr gemacht und bietet seit Dezember 2018 in Arizona den ersten kommerziellen Fahrdienst mit automatisiert verkehrenden Fahrzeugen an. In den nahe der US-Stadt Phoenix gelegenen Städten Chandler, Tempe, Mesa und Gilbert können Nutzer via App ein automatisiertes Shuttle bestellen und sich – mit Testfahrer hinter dem Steuer – an ihr Ziel bringen lassen. Arizona bietet mit nahezu ganzjährigem Sonnenschein und milden Temperaturen perfekte Testbedingungen für selbstfahrende Fahrzeuge. Aber auch in diesem vergleichsweise günstigen Umfeld zeigen sich weiterhin Schwächen: Im August zitierte ein Bericht von The Information fünf ungenannte Quellen, die behaupteten, dass Waymos selbstfahrende Autos mit grundlegendem Infrastrukturverständnis und Fahraufgaben zu kämpfen hätten. Dies betrifft z.B. das Fahren einer Linkskurve an Kreuzungen ohne Lichtsignalanlage, dem Einfädeln in eine Nachbarspur oder das Halten an Pförtnerampeln, die den Verkehrsfluss von einer Rampe auf eine Straße kontrollieren. Waymo selbst vertraut der eigenen Technik noch nicht ausreichend und setzt aus diesem Grund speziell ausgebildete Testfahrer statt der ursprünglich geplanten Fahrgastbetreuer ein.
In Deutschland werden derzeit weitere Testfelder aufgebaut und Studien durchgeführt. Diese sind auch notwendig, um die Sicherheit von Fahrassistenz- sowie Automatisierungsfunktionen sicherzustellen zu können. 2018 wurde deutlich, dass einige Ankündigungen der letzten Jahre etwas zu enthusiastisch waren und es noch einige Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern wird, bis automatisiertes Fahren im Straßennetz sicher durchführbar ist. Nach der Hype-Phase ist das automatisierte Fahren nun in der langsameren und weitaus unspektakuläreren Pre-Umsetzungsphase angekommen.
Elektrischer Fahrzeugantrieb
In diesem Stadium befindet sich 2018 ebenfalls noch der elektrische Fahrzeugantrieb. Im Jahr 2018 haben sich die Zulassungszahlen von vollelektrischen bzw. teilelektrischen Fahrzeugen weiter erhöht. Ebenfalls ist die Zahl der öffentlichen und teilöffentlichen Ladepunkte weiter gewachsen. Auch deutsche Automobilhersteller, die in den vergangenen Jahren eine eher abwartende Haltung eingenommen haben und lieber renditestarke Pkw mit Verbrennungsmotor verkauft haben (und auch weiterhin am liebsten verkaufen), sind zum Umdenken gezwungen. Daimler beschafft für 20 Milliarden Euro Batteriezellen, Volkswagen plant in den kommenden Jahren 50 Milliarden Euro für Zellen auszugeben. Und auch BMW hat eine Batteriezell-Order mit einem Volumen von vier Milliarden Euro beim chinesischen Hersteller CATL platziert. Die wachsenden Anforderungen auf dem chinesischen Markt und die neuen CO2-Flottengrenzwerte für Pkw in der Europäischen Union machten einen Strategiewechsel notwendig. So geht Volkswagen davon aus, zur Einhaltung der CO2-Grenzwerte im Jahr 2030 jährlich etwa 600.000 Elektroautos mehr verkaufen zu müssen, als ursprünglich kalkuliert wurde.
Aber auch kurzfristig ist eine stärkere Elektrifizierung der verkauften Fahrzeuge notwendig. Ansonsten kann der ab 2021 geltende CO2-Flottengrenzwert von 95 Gramm CO2 je Kilometer nicht eingehalten werden. Die Automobilhersteller werden daher in den kommenden Jahren gezwungen sein, Elektrofahrzeuge stärker zu vermarkten und letztendlich auch abzusetzen. 2019 kommen diverse Modelle deutscher Hersteller auf den Markt (u.a. Mercedes-Benz EQC, BMW i3 2019, Porsche Taycan), wobei es erst 2020 bzw. 2021 richtig losgehen dürfte.
Als problematisch könnte sich in den kommenden Jahren die Preisentwicklung bei Batteriezellen darstellen, da unklar ist, ob der steigenden Nachfrage ausreichend schnell eine Angebotsausweitung folgen kann. Dies dürfte die Margen weiter drücken und letztendlich die Gewinne der Autohersteller stark schrumpfen lassen. Hinzu kommt eine Timing-Herausforderung: Kommt der Wandel zum Volumenhersteller von Elektrofahrzeugen zu früh, ist das ganze Unternehmen gefährdet, kommt er zu spät ebenso. Nicht alle Automobilhersteller dürften die Transformation überleben. Deutsche Automobilhersteller wirken derzeit besonders gefährdet.
Ebenfalls dürfte in den kommenden Jahren verstärkt Forderungen nach öffentlicher Ladeinfrastruktur aus der Bevölkerung an die Kommunen herangetragen werden. Es wird sich zeigen, welche Städte und Gemeinden sich proaktiv vorbereitet haben.
Die im Jahr 2018 meistgelesenen Artikel zu den Themen Elektrifizierung und Automatisierung von Pkw und Lkw:
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Platz 4 – [Fakt der Woche] Marktanalyse Elektromotor versus Verbrennungsmotor
Platz 5 – Siemens eHighway, Hybrid-NFZ, LNG: Fährt der Straßengüterverkehr der Zukunft elektrisch?
Platz 7 – [Vortrag] Wunderlösung Elektromobilität?
Platz 9 – Rechtliche Zulassung von autonomen Fahrzeugen: Welche Regelungen müssen geändert werden?
Platz 10 – [Länderübersicht] Angekündigte Zulassungsfristen für Pkw mit Otto- und Dieselmotor
Die im Jahr 2018 meistgelesenen Artikel rund ums Automobil:
Platz 1 – [Fakt der Woche] Die wahren Kosten eines Kilometers Autofahrt
Platz 2 – [Kurz erklärt] Wie funktioniert ein Brennstoffzellenfahrzeug?
Platz 4 – Elektromobilität mit unliebsamen Nebenwirkungen – eine kritische Bestandsaufnahme
Platz 6 – Die größte Ineffizienz des privaten Pkw-Besitzes: Das Parken
Platz 7 – Wie funktionieren autonome Fahrzeuge?
Platz 8 – [Fakt der Woche] Marktanalyse Elektromotor versus Verbrennungsmotor
Platz 9 – Eine Industrie im Wandel – Wie Autovermietung der „Mobilität der Zukunft“ begegnet